Sonntag, 14. Februar 2016

Konzertprogramm: Grüsse aus Skandinavien

Im neuen Konzertprogramm bringt das Vokalensemble "Les Vagabondes" alte Weisen und zeitgenössisches Kompositionen aus Schweden und Norwegen auf die Bühne.


Die traditionellen Volkslieder Skandinaviens wurden ursprünglich einstimmig, meist solistisch und ohne instrumentale Begleitung gesungen. Wie man den ursprünglichen Charakter bewahren kann, auch wenn man die Lieder in ein mehrstimmiges und modernes Gewand kleidet, dazu wurde in Skandinavien in den vergangenen zwanzig Jahren viel geforscht und auf der Bühne ausprobiert. In Konzertprogramm "Grüsse aus Skandinavien" orientiert sich das Basler Vokalensemble "Les Vagabondes" an den Interpretationen und Gesangstechniken verschiedener Musikpioniere aus Norwegen und Schweden, insbesondere an Irmelin (S), PUST (N), Kraja (S), Trio Medieaval (N), Eva Rune (S) und Susanne Rosenberg (S). Entstanden ist ein vielseitiges Programm mit den folgenden Liedern:



Vidder

Das Stück "Vidder" (Hochebenen) kommt ganz ohne Worte aus. Die Melodie stammt aus der Feder des Norwegers Stein Austrud und ist der norwegischen Berglandschaft gewidmet. Wir singen die mehrstimmige Interpretation des norwegischen Vokalensembles PUST.






O sommartid

Angesichts der langen Winters erstaunt es nicht, dass viele skandinavische Volkslieder das Frühlingserwachen und die Schönheit der sommerlichen Natur inbrünstig lobpreisen. Das Lied "Oh Sommerzeit" stammt aus der schwedischen Provinz Dalarna. Wir singen das Lied in der Version von Eva Åström Rune, arrangiert von Johanna Thür.


Oh Sommerszeit, so schön und lieb,
zu Besuch im Norden ist,
um Leben und Freude zu verbreiten.
Die schwarze Erde ist in Grün gekleidet
und jeder Baum mit Laub so schön
im weiten Wald und Hain.

Welch grosse Schönheit in der Morgenstund,

wenn die Sonne ihre Runde zu ziehen beginnt
und sich im Osten erhebt.
Dann erwacht die ganze Natur
und der Tag beginnt mit neuer Hoffnung
und all unsere Güte wird offenbart.





Lille Jon

Auch das alte Spottlied "Lille Jon" aus Hälsingland (Schweden) handelt von der Mittsommerszeit. Der Weiberheld Jon, berüchtigt für sein teuflisches Spiel auf der Geige, wird vor ein Ehrengericht gestellt. Von den Ermahnungen lässt er sich jedoch nicht weiter beeindrucken und spielt schon bald zum nächsten Tanze auf ... wild und ausgelassen wie eh und je! Wir haben für unser Konzert die politisch korrekte Version ausgewählt. Doch eigentlich handelt das Lied nicht von 50 Polskas, sondern von 50 Kindern, die der Uneinsichtige in einer Mittsommersnacht gezeugt haben soll. Das Arrangement stammt vom nordschwedischen Vokalensemble Kraja.


Ich singe über einen Mann, der hiess Kleiner Jon,
singe "faoli", oh, Kleiner Jon.
Er spielte mit den Spielmännern auf dem Hof,
singe "faoli och littolej".

Und die Mittsommernacht, die war nicht lang,
singe "faoli", oh, die war nicht lang.
Hundert Paar Füsse brachte er in Schwung,
singe "faoli och littolej".

Und er wurde vors Bezirksgericht gerufen,
singe "faoli", vors Bezirksgericht,
weil er auf eine teuflische Art und Weise spielte,
singe "faoli och littolej".

Und der Richter schlug sein Richterbuch auf,
singe "faoli", oh, sein Richterbuch.
"Wie viele Polskas hast du gespielt?",
singe "faoli och littolej".

"Ich kann das jetzt nicht mehr sagen,
singe "faoli", oh, jetzt nicht mehr sagen,
ob es fünfzig oder siebenundfünfzig waren,
singe "faoli och littolej".

Und nach vorne zu mir kam ein Kirchendiener-Vieh,
singe "faoli", oh, ein Kirchendiener-Vieh.
Er wollte, dass ich auf die Knie falle,
singe "faoli och littolej".

Aber noch nie zuvor bin ich auf die Knie gefallen,
singe "faoli", oh, auf die Knie gefallen.
Zuerst muss wohl auch der Kirchendiener-Teufel fallen,
singe "faoli och littolej".

Und nach vorne zu mir kam ein widerlicher Pfarrer, 
singe "faoli", oh, ein widerlicher Pfarrer.
Er wollte, dass ich einen Vers lese,
singe "faoli och littolej".

Aber noch nie zuvor habe ich einen Vers gelesen,
singe "faoli", oh, einen Vers gelesen.
Es wäre besser, man passte auf den Pfarrer auf,
singe "faoli och littolej".

Und nun habe ich meine Kirchenpflicht erfüllt,
singe "Faoli", oh, meine Kirchenpflicht.
Nun spiele ich eine Polska so schnell wie eh und je,
singe "faoli och littolej".

Trajradida didejdadeda ...





Emigrant

Das schwedische Vokaltrio Irmelin hat zwei traditionelle Emigrantenlieder in einem Arrangement vereint: "Nu står jag på min resa" (in der Version von Maria Röjås) und "Vi sålde våra hemman" (in der Version von Börjes Samuel Hannson von Rättvik/Dalarna). Beide Lieder stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, als die Armut viele Menschen in Schweden dazu bewog, ihre Heimat zu verlassen und ihr Glück in Übersee zu suchen.


Nu står jag på min resa
(Jetzt steh ich vor meiner Abreise)

Jetzt steht ich vor meiner Abreise und soll fahren,
und Gott allein weiss, wann ich wieder kommen werde.
Lebt wohl all ihr lieben Burschen
und leb wohl mein auserwählter Freund.
Wohl kann es sehr schwer sein,
wenn du und ich, mein Freund, sich trennen sollen,
aber es ist meine innigste Absicht,
dass wir uns wiedersehen sollen, mein Freund.





Vi sålde våra hemman
(Wir verkauften unser Zuhause)

Wir verkauften unser Zuhause und begaben uns auf eine Reise,
wie der Vogel hier, der davonfliegt, wenn der Sommer zu Ende ist.
 Der Vogel kommt einmal wieder, wenn der Frühling Einzug hält,
aber wir dürfen niemals wieder unser Heimatland erblicken.

Wir hatten vor, unser Lebensende zu versüssen,
gewissermassen weiter zu kommen, als der Herr abgesteckt hatte.
Wir reisten von Schweden mit einigem Übermut,
wir kannten nicht das Schicksal, dass uns dort erwartete.

Eine Allmacht hat es nun gerichtet, unser Gott hat es so bestellt,
dass Unkraut aus Sveas Feld herausgerissen werden soll,
zu einem Sträusschen gebunden und dann ausgesandt
zu weit entlegenen Ländern, wo der Hochmut ausgemerzt wird.






Limu, limu, lima / Lille Lasse

Auch dieses Arrangement verbindet zwei bekannte Volkslieder miteinander. Es beginnt mit dem 1856 in Älvdalen (Schweden) aufgezeichneten Hirtenlied "Limu, limu, lima", das die Landbevölkerung zu singen pflegte, wenn sie mit dem Vieh auf den Sommerweiden war. Vermutlich ist das gesungene "Sonnengebet" jedoch viel älter. Eine Spur führt nach Norwegen, wo das Lied ebenfalls sehr verbreitet ist und wo der Sonne - im Rahmen eines vorchristlichen Sonnenkultes - früher Leinen/Flachs geopfert wurde. Eine zweite Spur führt nach Island, zu einem im Jahre 1300 aufgezeichneten Mariengebet. Das nordschwedische Vokalensemble Kraja verbindet das "Sonnengebet" in ihrem Arrangement mit dem Kinderlied "Lille Lasse sitter och gråter" (Der kleine Lasse sitzt und weint).


Limu, limu, lima,
Gott, lass die Sonne scheinen
über die blauen Berge, über die kleinen Mädchen,
die im Sommer im Wald gehen sollen.

Der kleine Lasse sitzt und weint,
fort ist sein Fischerboot.
Weine nicht mehr, kleiner Lasse,
das Boot liegt im Schilf,
voller Rotaugen und Zwiebelfische.

Lasse, rudere heim, Lasse, rudere heim.
Die Mutter hat ein Kind bekommen,
die Kuh hat ein Kalb bekommen,
die Sau hat zehn kleine Ferkel bekommen.






Elins Trall

Dieses schwungvolle Lied kommt ohne Worte aus. Es wird "gediddelt" und "getrallt" und so das Spiel der Geigen imitiert. Der "Trall" ist in der nordischen Volksmusik weit verbreitet und vergleichbar mit der "Mouth music" in Irland und Schottland. Die Melodie des von uns gesungenen Tralls stammt von Elin Lyth und wurde vom Ensemble Kraja arrangiert.


I denna ljuva sommartid

"In dieser lieblichen Sommerzeit" ... mit diesen Worten beginnt die wohl innigste Lobpreisung der Natur, welche die schwedische Volksmusik zu bieten hat. Das Lied ähnelt einem Gebet und endet mit den Worten "Fürs Leben danke ich dir". Die Musik stammt aus der Feder von Sophie Livebrant, das Arrangement von Eva Lestander vom Vokalensemble Kraja.



In dieser lieblichen Sommerszeit
geh hinaus meine Seele und erfreue dich
der Gaben des grossen Gottes.
Seh, in welchem Schmucke die Erde steht,
seh, wie sie für dich und mich
so wunderbare Gaben bekommt.

Ach, ist es bereits hier so schön,
ist es so herrlich und so grün
auf dieser unbedeutenden Erde.
Was soll es dann dort nicht geben
in der Herrlichkeit, wenn ich einst
verklärt sein werde.

Wenn ich der Drossel klaren Gesang höre
und die Lerche den ganzen Tag über jubiliert
hoch über den Feldern und Hügeln,
dann kann ich nicht stille schweigen,
mein Gott, so lange ich lebe,
fürs Leben danke ich dir.






I mine kåte ungdomsdagar

"In meinen unbekümmerten Jugendtagen" heisst dieses norwegische Volkslied aus der Region Hallingdal. Wir singen die Melodie in der Version von Arne Moslåtten von der legendären Volksmusikgruppe "Tiriltunga". Andrew Smith hat das dreistimmige Arrangement für das Vokaltrio Medaeval geschrieben und uns netterweise zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!



In meinen unbekümmerten Jugendtagen,
an die ich mich so gut erinnere,
war ich so frei von Sorgen
und in der Seele so glücklich.
Dann begann ich darüber nachzudenken,
wie es mir ergehen würde,
ob ich einen Jungen finden würde,
auf den ich mich verlassen könnte.

Sie sprachen vom Heiraten,
aber es ist nicht einfach,
ein richtiges Mannsbild auszuwählen
aus der so grossen Horde.
Ein Tüchtiger, ein Guter, ein Aparter
ist schwer zu bekommen
und sollte er sich als faul erweisen,
gäbe es keinen Rat.

Wenn ich meine Meinung sagen soll,
so glaube ich doch ganz fest,
dass es viel besser ist,
wenn ich nie heirate,
wenn ich mein eigenes Leben lebe,
und meinen Jungen ab und zu sehe,
und jeden Moment geniesse,
in dem ich in seinen Armen schlafen kann.






Det lisle bånet

Das Lied "Det lisle bånet" stammt aus der norwegischen Region Telemark und handelt von einem kleinen Kind und einem Fuchs. Der Liedtext ist so seltsam, dass wir es aufgegeben haben, einen tieferen Sinn darin zu suchen. Bekannt wurde das Lied in der Interpretation des norwegischen Trios Mediaeval. Das Arrangement stammt aus der Feder der norwegischen Musikerin Tone Krohn.



Höstens bleka sjö

Grundlage dieser Komposition ist das Gedicht "Des Herbsts bleicher See", das die bekannte finnlandschwedische Poetin Edith Södergran verfasst hat. Die zeitgenössische schwedische Komponistin Eva Toller hat die bildstarken Worte im Jahre 2003 in Musik verwandelt.



Des Herbsts bleicher See
träumt schwere Träume
von einer frühlingsweissen Insel,
die im Meer versinkt.

Des Herbst bleicher See,
wie deine Kräuselung versteckt,
wie dein Spiegel vergisst
die Tage, die sterben.

Des Herbsts bleicher See
trägt seinen hohen Himmel
leicht und still,
so wie das Leben und der Tod
in einem Augenblick
in einer eingeschlafenen Welle
sich küssen.





Gammelkäring

Im norwegischen Lied "Altes Weib" wird über eine alte Wollspinnerin gelästert. Das schwedische Vokaltrio Irmelin hat das Lied (in der Version von Hanne Kjersti Yndestad) humorvoll arrangiert und mit ausgedehnten Trall-Passagen versehen. Zur Erinnerung: Unter "Trall" versteht man das Singen ohne sinntragende Silben.



Hast du ein altes Weib gesehen?
Sie ging auf dem Hofe und kardete Wolle.
Wenn du sie gesehen hast,
so hör nicht auf sie,
denn sie hat die Tasche voll
und erzählt nur Unsinn.




En reell halling

Einen "zünftigen Halling" - das ist ein traditioneller norwegischer Volkstanz - verspricht das norwegische Sextett PUST im Titel des Liedes. Håvard Gravdal hat dabei zwei traditionelle Melodien aus Norwegen zu einem melodischen Schlagabtausch kombiniert: "Guilderoy Reel" und "Halling von Elverum". Beide Melodien werden traditionell von Geigen gespielt. Die Sänger/innen von PUST imitieren das Geigenspiel im Trall. Håvard Gravdal hat das Stück so arrangiert, dass die horizontale Energie des Instrumentalstückes beibehalten wird.  






Vaggviselåt

Dem Wiegenlied "Vaggviselåt" liegt das Gedicht "Träden därute" (Die Bäume da draussen) des schwedischen Dichters Nils Ferlin zugrunde. Die Melodie stammt von Anne Hilde Grøv, arrangiert wurde es von Håvard Gravdal vom norwegischen Vokalensemble PUST.



Der Mond ist gross,
goldäugig und gross,
die Fenster glänzen wie Perlmutt.

Schlummere, du Kleines,
stille dein Weinen,
die Bäume murmeln ein Wiegenlied.

Deine Mutter ist müde,
viele und üble Sorgen hat sie angetroffen,
deine Mutter ist müde.


Schlummere, du Kleines,

stille dein Weinen,
die Bäume murmeln ein Wiegenlied.









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